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Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zur Brennelementesteuer, Autor: Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Die Mühlen der unabhängigen Justiz mahlen langsam, aber unerbittlich. In der breiten Öffentlichkeit war beinahe vergessen worden, dass immer noch Klagen gegen die Brennelementesteuer anhängig waren. Vor sieben Jahren hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung im damaligen Atom-Deal diese Abgabe eingeführt. Im Gegenzug hatte die Merkel-Westerwelle-Regierung eine längere Laufzeit für die Atommeiler zugebilligt. Das ist nach dem Reaktorunglück von Fukushima 2011 und dem danach revidierten Fahrplan des deutschen Total-Ausstiegs aus der Kernenergie bis 2022 wie eine Nachricht aus grauer Vorzeit. So ist es aber nicht. Die Karlsruher Richter haben in der Sache nicht eben mutig, schon gar nicht politisch, sondern einzig und allein formal verfassungsrechtlich geurteilt, so wie es vom höchsten deutschen Gericht zu erwarten ist. Und formal betrachtet hatte der Bund keine Kompetenz, das Kernbrennstoffsteuergesetz zu beschließen, weil es sich nicht um eine Verbrauchssteuer handelt. Verfassungsjuristen mögen sich weiter streiten. Die damalige Bundesregierung hat schlampig gearbeitet und sich die Finger verbrannt. Doch das Urteil ist nun mal ein Faktum und die derzeitige Regierung muss darauf reagieren. Dass bei den Energiekonzernen wegen des Karlsruher Urteils derweil die Sektkorken knallen und die Aktienkurse steigen, weil man auf milliardenschwere Rückzahlungen hofft, ist indes nicht nur voreilig, sondern auch in höchstem Maße unmoralisch. Noch gibt es keine gesetzliche Grundlage, ob überhaupt und wie die einkassierte Brennelementesteuer an die drei Konzerne zurückgezahlt werden muss. Noch schwerer wiegt allerdings die Tatsache, dass die Brennelementesteuer bereits von den Stromkunden bezahlt worden ist. Sollten die in Rede stehenden sechs Milliarden Euro nun noch einmal aus dem Bundeshaushalt genommen werden, wäre das im Grunde eine Bereicherung auf Kosten der Allgemeinheit. Nun darf der Steuerzahler aber nicht noch einmal zur Kasse gebeten werden. Auch nicht, wenn ein schlampiges Gesetz der Vorgängerregierung die Handhabe dafür bietet. Dabei sind die zig Milliarden an öffentlicher Förderung, die über die Jahrzehnte an die Atomwirtschaft geflossen sind, noch nicht einmal berücksichtigt. Es hilft alles nichts, die Bundesregierung muss mit den Energieriesen, die wegen der Energiewende heftig in die Bredouille gekommen sind, erneut verhandeln. Es wird nun ein Gesetz gebraucht, das vor den Gerichten Bestand hat. Was gar nicht geht, ist, dass wegen etwaiger Rückzahlungen an die Konzerne weniger Geld für die Sanierung von Schulen oder den Ausbau von Kita-Plätzen ausgegeben werden kann. Von der jetzigen Aufregung um die verpatzte Brennelementesteuer abgesehen, ist der deutsche Atomausstieg ein Muster von großem Wert. Selbst wenn viele Länder diesem Beispiel nicht folgen wollen. Deutschland verabschiedet sich nach Jahrzehnten der Euphorie, nach großen Hoffnungen, aber auch schlimmen Unfällen, wie Tschernobyl oder Fukushima, gewissermaßen von einer Säule der bisherigen Energieversorgung über immerhin fast fünf Jahrzehnte. Das enorme wissenschaftliche und ingenieurtechnische Know-how, das Wissen der Fachleute wird dennoch weiterhin gebraucht - und sei es beim Rückbau der Atomkraftwerke, der sich noch Jahrzehnte hinziehen wird. Die Gesellschaft hat sich mit ihrer großen Mehrheit dazu entschlossen, aus der Kernenergie auszusteigen. Die Folgen werden noch viele Generationen über viele tausend Jahre zu tragen haben. Der Streit um die Brennelementesteuer wirkt da, wenn man den historischen Maßstab anlegt, wie eine Petitesse.

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