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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Stefan Stark zu Köln/Reaktionen der Politik

Regensburg (ots)

Seit der Silvester-Randale in Köln ist der böse Geist aus der Flasche. Der AfD-Politiker Björn Höcke will Angela Merkel in der Zwangsjacke aus dem Kanzleramt führen, Pegidisten rasen vor Wut auf arabisch aussehende Männer, selbst ernannte Rächer erklären Dunkelhäutige auf deutschen Straßen zum Freiwild: "Schwanz ab, Kopf ab, von hinten erschießen" - so lauten Parolen aus längst vergessen geglaubten Zeiten. Vielleicht gründet sich demnächst ja eine Initiative zur Wiedereinführung der Todesstrafe für muslimische Gewalttäter. Die Diskussion um die Kölner Übergriffe ist vergiftet. Und dieses Gebräu wirkt wie ein Aufputschmittel auf Rassisten genauso wie auf Rechtspopulisten. Natürlich ist der Spießrutenlauf, den die Frauen auf der Domplatte erlebten, einfach nur widerwärtig und unentschuldbar. Doch ebensowenig dürfen es Staat und Gesellschaft hinnehmen, dass Ausländer nun unter Generalverdacht gestellt werden und dass jeder Flüchtling als potenzieller Gewalttäter beäugt wird. Die Politik muss höllisch aufpassen, dass die Relationen nicht aus den Fugen geraten. Was den etablierten Parteien nach Köln einfällt, entspringt den üblichen Empörungsritualen der Politik: Null Toleranz gegenüber straffälligen Flüchtlingen fordert CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Alle Täter müssen konsequent zur Rechenschaft gezogen werden, verlangt NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Sogar die Grüne Katrin Göring-Eckart fordert die ganze Härte des Gesetzes. Ja was denn sonst? Natürlich darf der Staat Kriminalität nicht tolerieren. Dabei kann er sich sogar auf geltende Gesetze berufen: So gibt es etwa den Straftatbestand der gemeinschaftlichen Körperverletzung, der mit bis zu zehn Jahren Gefängnis geahndet werden kann. Langjährige Haftstrafen stehen auch auf sexuelle Nötigung. Es liegt nur an Polizei und Justiz, der Täter habhaft zu werden und sie zu überführen. Und an den Gerichten, dann auch abschreckende Strafen zu verhängen. Die Politik gibt vollmundige Versprechen, die am Ende nicht erfüllt werden. Weder werden härtere Gesetze etwas ändern, noch wird es Flüchtlingsobergrenzen in der Form geben, wie sie derzeit diskutiert werden. Dieser Populismus läuft Gefahr, als heiße Luft aufzusteigen. Das wird dann zum Brandbeschleuniger für jene, die die Medien als Lügenpresse beschimpfen und die die etablierte Politik für verrückt und unfähig halten - und nur von deren Misserfolgen leben. AfD-Mann Höcke ist nicht der Einzige, der aus den schwarz-roten Eiertänzen Nahrung saugt. Union und SPD sitzt die Angst im Nacken, bei den drei Landtagswahlen im März von den Wählern abgestraft zu werden. Deshalb geben sich die Parteigrößen als Law&Order-Kämpfer. Die einen spielen die harten Hunde, andere lassen sich zu populistischen Forderungen hinreißen. Doch in dieser hochemotionalen Debatte sollten die Politiker einfach mal versuchen, den mündigen Bürger mit der Realität zu konfrontieren. Wer einen starken Staat und mehr Polizei will, um der Bevölkerung das Gefühl von mehr Sicherheit zu geben, der muss auch bereit sein, dafür Geld auszugeben - das dann anderswo fehlt. Wer eine Asyl-Obergrenze von 200 000 pro Jahr fordert wie CSU-Chef Horst Seehofer, der muss auch erklären, was er spätestens Ende Februar machen will, wenn diese Zahl erreicht ist. Und wer weiter an Merkels Credo "Wir schaffen das" festhält, der muss beantworten, wo er die Flüchtlinge überhaupt unterbringen will. Die Frage nach der Integration wird bei einer Million Asylsuchenden pro Jahr jedenfalls zweitrangig sein. Frei nach Willy Brandt formuliert sollte die Politik endlich mehr Ehrlichkeit gegenüber der Bevölkerung wagen. Denn mit Halbwahrheiten oder falschen Versprechungen wird der böse Geist nicht wieder in die Flasche zurückgehen.

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